CLUB RK 24 und Spezial
RK 320
Die Radios CLUB RK 24 und
CLUB
Spezial RK 320 von Siemens & Halske
Zum Glück gibt es Leute, die gute alte (defekte) Elektronik
für wenig Geld im Internet vertickern.
Was ist wohl mit westdeutschen Radios der 1970er Jahre los gewesen? Zur
Klärung dieser bedeutsamen Frage wurde ein defektes CLUB RK 24
(Siemens & Halske) besorgt. Nahezu zeitgleich wurde
www.radiomuseum.org konsultiert, denn Schaltpläne sind
seinerzeit in den 1970 Jahren noch detailliert veröffentlicht
worden. Nach 4
Tagen putzen, Fehlersuche und Reparatur in der Kellerwerkstatt
zeigte ein erster
Blick bei Tageslicht auf das an einer Ecke leider leicht
lädierte Gerät tatsächlich: ja, damals gab
es noch glänzende Firmenlogos aus
Metall.
Was war eigentlich nach fast 50 Jahren an diesem Radio defekt? Lange
gesucht, einfache Defektursache,
man sieht es ja an der
lädierten Ecke: das gute Radio war gestürzt. Bei
diese Gelegenheit hat es die interne LW/MW-Ferrit-Antenne
gelöst und die LW-Wicklung auf die spitzen Enden der
Schaltkontaktgruppe geknallt. Es gab dadurch 6 Unterbrechungen in der
HF-Litze, was
neben dem LW-Empfang auch den MW-Empfang (keine
Deaktivierung der LW-Wicklung bei MW-Betrieb) stark
einschränkte
(keine selektive Empfindlichkeit). LW-Spule abgewickelt, geflickt,
aufgewickelt, abgeglichen, alles gut (3 Tage Spass und Spannung). Die
Kontakte und alles andere geputzt, nochmal 1 Tag. Nun ist es
schön.
Im Inneren ist das Gerät aufwändig und
sorgfältig
gestaltet. Selbsttragendes Metall-Chassis, gedämpft
befestigter Lautsprecher, gedämpft befestigter UKW-Tuner mit
verschränktem Metall-Zahnrad-Direktantrieb. Letzteres bewirkt
ein sehr direktes Gefühl beim Einstellen eines Sender, keinen
"Federeffekt" oder toten Gang. Das Seilzug-System ist nur für
den Skalenzeiger.
Technik: nur vom Feinsten.
Verwendet wurden speziell für ihren
besonderen Einsatzzweck gezüchtete Halbleiter,
wie Germanium-HF-Mesa-Transistoren (PNP) im Tuner (Siemens
AF106 Vorverstärker, Siemens AF121 Oszillator/Mischer) und im
AM-Oszillator/Mischer (Siemens AF126),
im ZF-Verstärker ein Silizium-Epitaxie-Transistor BF243s,
NF-Vorstufe der rauscharme BC108C, dann Treiber AC151 (Germanium, PNP)
und komplementär gepaarte Germanium-Transistoren (AC 153K PNP,
AC176K NPN) in der
NF-Endstufe. Der AC176X (NPN) sorgt als aktives Siebglied für
brummfreie Stabilität bei Netzbetrieb.
Betriebseigenschaften:
Langwelle (LW), Mittelwelle (MW), gespreizter oberer Mittelwellenbereich
(Europaband), Kurzwelle (31m, 41m, 49m-Bänder), UKW,
Tonabnehmer-Eingang, alles läuft bemerkenswert gut. 6
Stück dicke R20 Batterien
verschaffen dem Radio, das damit nur knapp 20mA Ruhestromaufnahme
aufweist,
eine theoretische ununterbrochene Laufzeit von fast 2000
Stunden bei
kleiner Lautstärke.
Heutige Weltempfänger hingegen werden in der Fachpresse
bereits gelobt, wenn
sie nur 20 Stunden Akkulaufzeit schaffen. Der
eingebaute Trafo wird durch einen mit dem Lautstärke-Poti
verbundenen Schalter sogar vollständig nach einem
möglichen Netzbetrieb abgeschaltet. Damals wurde das
Energiesparen sehr ernsthaft betrieben. Heutige Weltempfänger
können das mit ihren Steckernetzteilen nicht, statt dessen
redet man lieber über Energiesparen und klebt ein
grünes Logo an die kleinen warmen Geräte.
Es war eigentlich nur neugieriger Spass, das geforderte Minimalgebot
für ein fehlerhaftes CLUB
Spezial RK 320 zu machen. Und dann kam so eine
Schönheit zu Tage:
Dieses
ca. 2 Jahre jüngere Radio (also ca. 1973) hat eine
ähnliche elektronische Schaltung und ist ähnlich
sorgfältig aufgebaut, auch wenn schon mechanische
Sparmaßnahmen
im Inneren erkennbar sind. Da ist mehr Kunststoff und auch das
Batteriefach ist kleiner, ungünstig dazu ist die
Stromaufnahme ein wenig höher (gut 20mA, was nur im Vergleich
zum CLUB RK 24 erwähnenswert ist). Leider hat es auch kein
Direktantrieb mehr, denn der Abstimmknopf dreht am Seil. Keine
Skalenbeleuchtung mehr bei Netzbetrieb. Keine Spreizung des
höheren MW-Bereiches.
Was
war da nun defekt? Antwort: nur mal wieder Mechanik
und Kontakte. Ein feiner Riss in der Leiterplatte trennte einen
Abblock-Kondensator von seiner rechtmäßigen
Funktion, am UKW-Tuner waren zwei Schraub-Druck-Quetsch-Kontakte lose
(sowas hält nie lange) und irgendwer hatte mit seinen
erfolglosen
Reparaturversuchen einiges verbogen und verdreht. Jetzt ist wieder
alles gut.
Technik ähnlich
fein wie CLUB RK 24 empfängt es auch auf LW, MW, KW, UKW.
Bewährt wieder im Tuner Germanium-HF-Mesatransistoren (Siemens
AF106 Vorverstärker,
Siemens AF121 Oszillator/Mischer), im AM-Oszillator/Mischer wieder
Siemens AF126. Der ZF-Verstärker ist aufwändiger
2-stufig aufgebaut
mit Silizium-PNP-Epitaxie-Transistoren BF341 und BF342.
Dann geht es weiter mit NF-Vorstufe BC168B (NPN), Treiber BC262 (PNP)
und in
der NF-Endstufe ist endlich das legendäre
Germanium-Komplementärpaar AC187 (NPN) / AC188 (PNP)
vorhanden. Der
AC176X (NPN) regeneriert diesmal vorsichtig eine eventuell vorhadene
Batterie bei Netzbetrieb, während ein AC 153K (PNP) wieder als
aktives Siebglied für
brummfreie Stabilität bei Netzbetrieb sorgt.
Was ist nun Spezial am CLUB Spezial RK 320? Ich vermute, die
Spezialität ist (neben der Batterie-Regeneration) der
gespreizte KW-Bereich, der in
vernünftigerweise fester Vorselektion das 49m-Band abdeckt. Im
direkten Vergleich zu den auf KW immer gern als Benchmark dienenden
empfindlichen TECSUN PL 660 (oder von mir aus auch der DEGEN 1103) ist
die 45 Jahre ältere Elektronik nicht schlechter.
Zurück zur Eingangsfrage:
Was ist wohl mit westdeutschen Radios der 1970er Jahre los gewesen?
Antwort: sie waren sorgfältig und aufwändig gemacht,
waren aber auch
der zeitliche Entwicklung hin zu "neue Funktionen bei
günstigerer Herstellung" unterworfen. Nahezu baugleich war
übrigens damals die Gerätefamilie "Derby (de Luxe)"
von Blaupunkt. Siemens
& Halske entwickelt und produziert nun keine Radios mehr.
Blaupunkt?
Aber auch alte
Radios machen diese Welt zu einem besseren Platz.